Abraham

Frankfurter Rundschau: Abraham «Keinen grösseren Wunsch als hier zu bleiben»

Artikel der Frankfurter Rundschau mit David Abraham.

copyright FR, Authoren Ingo Durstewitz und Thomas Kilchenstein (Originallink)

David Abraham „Ich habe keinen größeren Wunsch, als weiter hier zu spielen“

 Von  und 

David Abraham beim Training.  Foto: imago/Jan Huebner

Verteidiger David Abraham über seinen persönlichen Aufstieg, den drohenden Abstieg des Klubs und über Derbys ohne Fans.

David Abraham, 29, hat bei Eintracht Frankfurt eine rasante Entwicklung genommen. Der Argentinier, einst mit einem gewissen Lionel Messi U20-Weltmeister, ist aus der Mannschaft nicht mehr wegzudenken, er übernimmt Führungsaufgaben. Der Verteidiger besticht durch seine Zweikampfhärte und seine Schnelligkeit. „Die habe ich von meinem Papa geerbt.“ Vater Abraham war in Argentinien ebenfalls Fußballprofi. Vor dem Derby am Samstag in Darmstadt hat sich David Abraham eine Dreiviertelstunde Zeit für die FR genommen.

Herr Abraham, wir können dieses Interview nicht beginnen, ohne noch mal zurückzuschauen auf Ihr Privatduell gegen den Mainzer Stürmer Jhon Cordoba. In unseren Augen ein atemberaubender Dauerzweikampf. Wie haben Sie das erlebt?
Es war ein sehr hartes, intensives Aufeinandertreffen. Aber ich kenne meine Kollegen aus Südamerika, und gerade die kolumbianischen Spieler, das sind alle sehr physische, sehr harte Typen. Aber Gott sei Dank habe ich gemeinsam mit Marco Russ mehr Zweikämpfe gewonnen als verloren.

Carlos Zambrano sagte uns einmal, dass es gerade in Südamerika üblich sei, sich auf dem Feld fast schon bis aufs Blut zu bekämpfen, sobald der Schiedsrichter aber abgepfiffen habe, gebe man sich die Hand und sei wieder gut befreundet. Ist das wirklich so?
Ja, das ist normal. Das gehört zum Fußball dazu. Aber nicht nur in Südamerika. Man trifft immer und überall auf Gegner, die alles dafür tun, um zu gewinnen. Sie kratzen und beißen. Aber das bleibt alles auf dem Platz. Danach geht es ganz normal weiter.

Ist es etwas anderes, gegen einen Südamerikaner zu spielen als gegen einen Europäer?
Die südamerikanischen Spieler kämpfen, kämpfen, kämpfen – bis zur letzten Sekunde. Die Verbissenheit zeichnet sie aus.

Haben Sie, um das Thema abzuschließen, gemerkt, dass Cordoba schwer genervt war und einmal sogar nachgetreten hat?
Wenn man die ganze Zeit so aufopferungsvoll kämpft, die Früchte aber nicht ernten kann, dann nervt und frustriert das einen Stürmer halt, und dann kann es auch zu solchen Szenen kommen. Aber das ist halb so wild.

Jetzt kommt Sandro Wagner, er hat schon 13 Tore gemacht, aber ist vom Typus gänzlich anders. Er schleicht sich gerne weg, provoziert auch mal.
Das wird ein ganz anderes Duell, klar. Wir haben uns auch schon darauf eingestellt, haben viele Videosequenzen gesehen. Sandro Wagner spielt ganz anders als etwa Cordoba. Wenn man ihn etwas härter angeht, dann sucht er eher das Foul, spricht mit dem Schiedsrichter. Das ist bekannt, aber das muss man annehmen und wissen.

Das Derby am Samstag könnte ein richtiges Kampfspiel werden, so wie Sie es lieben.
Das wird wieder ein Endspiel, und da wird es schön zur Sache gehen. Man weiß ja, dass die Darmstädter auch von ihrer Physis leben und großen Kampfgeist ausstrahlen.

Die Darmstädter Verhältnisse sind sehr speziell, das Stadion, die Kabinen, das gesamte Drumherum. Haben Sie sich damit befasst?
Ich denke nicht an das Stadion, die Kabinen oder den Platz, das interessiert wirklich nicht. Es geht nur um Fußball.

Die Begleitumstände des Derbys sind ebenfalls nicht alltäglich. Keine Eintracht-Fans im Stadion, sie dürfen nicht mal die Stadt betreten. Bekommt man so etwas als Profifußballer mit?
Ich habe das gelesen. Aber auch wenn keine Eintracht-Fans im Stadion sein werden, so sind sie doch bei uns. Das wissen wir, und wir spielen auch für unsere Fans. Und es gibt sowieso keine Ausreden. Wir müssen diese Chance nutzen, um uns weiter zu befreien.

Sehen Sie die Gefahr, zu verkrampfen in diesem besonderen Spiel?
Nein, der Hype interessiert uns nicht. Es geht ja für uns um viel mehr.

Wie wichtig war der Sieg gegen Mainz für die Seele und das Selbstvertrauen?
Extrem wichtig, auch für den Spirit der Mannschaft. Wir hatten auch das nötige Quäntchen Glück, das man benötigt. Das hat uns einen Extraschub gegeben.

Haben Sie eine Idee, wie es mit der Eintracht so weit kommen, wie sie so brachial abstürzen und tief fallen konnte?
Wir hatten in vielen Situationen in dieser Saison einfach Pech, und dann haben wir das Tor nicht mehr getroffen. Vor dem Mainz-Spiel hatten wir in zehn Partien drei Tore geschossen – das ist halt zu wenig. Dann rutscht man in solch eine Situation hinein. Und wenn man jetzt sieht, dass Russ nach Alex Meier unser bester Torschütze ist, dann sagt das auch viel.

War der alte Trainer schuld?
Der alte Trainer hat damit nichts zu tun. Manchmal haben Spieler halt Durststrecken, aber wenn diese lange anhalten und die ganze Mannschaft betroffen ist, dann zieht es einen nach unten. Manchmal kann man das nicht erklären.

Wie bewerten Sie Ihre persönliche Entwicklung? Sie haben an Format gewonnen, sich zum Führungsspieler entwickelt, der intern wie extern sehr wertgeschätzt wird. Anfangs war das nicht so.
Es ist so meine Art. Wenn ich in eine neue Mannschaft komme, bin ich erst mal etwas verhaltener und schüchterner. Ich bin nicht aufdringlich, sondern will mich erst mal eingewöhnen. Je mehr ich aber hineinwachse, desto mehr Verantwortung übernehme ich dann. Ich bin hier angekommen, bin in der Mannschaft akzeptiert. Deshalb gehe ich voran. Ich bin ein erfahrener Spieler, der den Jungen helfen kann, indem man sie an die Hand nimmt und in bestimmten Situationen das richtige sagt.

Abraham in der Pose, die er gerne auch nach dem Darmstadt-Spiel einnehmen würde: beim Jubeln.  Foto: imago

Falls es für die Eintracht in die zweite Liga gehen sollte, würde der Klub gerne um Sie und Marco Russ eine neue Mannschaft aufbauen. Wären Sie dazu bereit, eine Klasse tiefer die Kastanien aus dem Feuer zu holen?
Ich habe einen Vertrag für die zweite Liga. Ich fühle mich in Frankfurt extrem wohl, es passt hier einfach für mich und meine Familie. Auch sportlich ist die Eintracht eine gute Adresse, ich mag den Klub, die Fans, das Stadion, die Stadt. Ich habe keinen größeren Wunsch, als weiter für die Eintracht zu spielen – am liebsten in der ersten Liga. An die zweite Liga will ich gar nicht denken. Aber grundsätzlich gilt: Sollten wir absteigen, dann gilt es, die Eintracht so schnell wie möglich wieder in die Bundesliga zu führen. Und ich bin bereit dazu, diesen Weg mitzugehen.

Es gab ja auch Gerüchte, dass Ihr Ex-Klub, der FC Basel, Sie zurückholen wolle.
Ich habe das Gerücht gehört, aber das ist nur ein Gerücht. Und solche Dinge haben in meinem Kopf zurzeit auch gar keinen Platz, ich bin voll fokussiert auf den Abstiegskampf. Es ist für mich keine Option, abzusteigen. Das darf nicht passieren.

Jetzt kommt es ja zu der fast schon grotesken Situation, dass die drei besten und stabilsten Eintracht-Spieler, Zambrano, Russ und Sie, um zwei Plätze streiten. Beschäftigen Sie sich damit?
Das Einzige, was uns interessiert, ist, dass wir die Klasse halten. Und wenn das bedeutet, dass einer von uns draußen sitzt und warten muss, ist das in Ordnung. So lange die drei Punkte kommen, ist alles andere egal. Da stellt jeder sein Ego zurück.

Sie kümmern sich ja auch um Marco Fabian, den neuen Mann aus Mexiko, der gar keine Rolle mehr spielt. Haben Sie eine Vermutung, weshalb? Und wie geht es ihm eigentlich, ist er sehr frustriert?
Er ist ein total positiver Typ und trägt zum guten Klima innerhalb der Mannschaft bei. Er gibt auch nicht auf. Weshalb er nicht spielt, das müssten Sie den Trainer fragen, das kann ich nicht beantworten. Ich kann nur über ihn sagen: Er gibt nicht auf, er kann jederzeit gebracht werden und gibt alles im Training. Er wartet auf seine Chance. Aber natürlich kümmere ich mich auch um ihn. Wir sind Freunde, und bei Freunden ist egal, ob er spielt oder nicht.

Interview: Ingo Durstewitz und Thomas Kilchenstein
Übersetzung: Moritz Böttcher (Eintracht Frankfurt)