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Sport.ch: Teil 2 – Von dieser Geldmaschinerie essen viele

»Von dieser Geldmaschinerie essen viele»

Remo Zollinger
Von Remo Zollinger
redaktion@sport.ch
Die Brüder Renato und Michele Cedrola führen in St. Gallen die Agentur Front Group, die Spieler berät und Transfers abwickelt. Obwohl sie derzeit Dauerstress haben, standen sie sport.ch ganze 75 Minuten lang Rede und Antwort. Lesen Sie hier Teil 2 des Gesprächs…

Im ersten Teil des Interviews ging es um den Arbeitsalltag der Spielerberater sowie die Karriereplanung junger Spieler, die den Durchbruch zum Profi schaffen wollen. Nun wird es etwas konkreter: Wir gehen auf den Transfermarkt, beobachten die Mechanismen desselben, reden über Geld und Fans sowie die Spieler, die von den Cedrola-Brüdern betreut werden.   sport.ch: Von aussen gewinnt man hin und wieder den Eindruck, dass Transfers ohne das Einverständnis der Spieler geschehen. Können sie überhaupt noch selbst bestimmen, zu welchem Club sie gehen? Renato Cedrola: Ohne Unterschrift des Spielers passiert gar nichts. Viele Transfers scheitern, weil sich zwar Vereine und Manager einig sind, der Spieler aber nicht dahin will. Es passiert nichts, wenn der Spieler selbst nicht auch mitmacht. Michele Cedrola: Nehmen wir als Beispiel Xherdan Shaqiri: Liverpool hätte den Bayern sicher auch genug bezahlt, der Spieler wollte aber lieber zu Inter als zu Liverpool, weshalb er dann dort gelandet ist. Wie gehen Sie vor, wenn Sie einem Spieler einen Klub oder einem Klub einen Spieler schmackhaft machen? Michele Cedrola: Man muss richtige Argumente bringen und voneinander überzeugt werden. Wenn ein Klub einen Spieler haben will, wird zuerst einmal der Trainer mit dem Spieler reden und ihm zeigen, dass er wichtig ist – dies war sicher bei Mancini und Shaqiri der Fall. Bei Scarione sind wir beispielsweise selbst nach Istanbul gereist und haben angeschaut, wie das alles aussieht bei Kasimpasa. Wichtig ist, dass sich der Spieler wohl fühlt, zu diesem Land, dieser Mentalität und Kultur passt. Ansonsten kann er keine Leistung bringen. Renato Cedrola: Manche Länder und Vereine locken aber auch mit sehr, sehr viel Geld, wie dies bei Samuel Eto’o und Anzhi Makhachkala der Fall war. Aber auch die Spieler sind nur Menschen und es klappt nicht immer alles – das sah man dann dort, insbesondere auf sportlicher Ebene. Ist von all diesen Faktoren unter dem Strich Geld nicht der wichtigste? Renato Cedrola: Nicht immer, das kommt auf die Spieler an. Grundsätzlich ist Geld bei Afrikanern und Südamerikanern – zurecht – ein wichtigerer Faktor als bei Europäern, die sich ohnehin schon an einen gewissen Lebensstandard gewohnt sind. Ersteren geht es schon mehr um Geld, da dies ihre grosse Chance ist, viel davon zu verdienen. Michele Cedrola: Geld ist sicher wichtig. Es gibt aber auch solche, die schon viel verdient haben und mal wieder etwas neues erleben wollen, sich auf ein neues Erlebnis einlassen und eine Erfahrung gewinnen möchten. Wie überzeugt man einen Spieler, einen Vertrag zu unterschreiben bei einem Verein, der weniger bezahlt? Michele Cedrola: Das muss man in den gesamten 360 Grad anschauen. Was ist es für ein Klub, wie sind die Strukturen, die Liga, die Stadt, das Land, was für ein Leben kann der Spieler dort führen und wie kann er sich dort entwickeln? Man muss diese Faktoren alle sehr genau beleuchten. Wie entgegnen Sie einem Fan, der behauptet, dass Spieler immer nur dem schnellen Geld nachrennen? Renato Cedrola: Es ist schön, dass die Fans mit soviel Herz dabei sind, sonst wäre der Fussball nicht mehr das, was er ist. Trotz allem sind diese Spieler aber professionelle Fussballer und zumeist nicht Spieler, die mit vollem Herzen bei einem Verein sind. Sie sind dort, weil sie eine Chance haben und im Leben weiterkommen wollen. Es ist immer eine Momentaufnahme. Es ist aber schon wichtig, dass die Spieler so agieren, dass die Fans ihnen nicht vorwerfen können, dass sie nicht alles gegeben haben, während sie bei einem Klub waren. Dann ist man auch ehrlich. Michele Cedrola: Eine Rolle spielt hierbei auch, dass Fussball in der Öffentlichkeit ausgetragen wird. In der Privatwirtschaft gehört dies auch zum Tagesgeschäft, kommt aber nie so an die Öffentlichkeit. Renato Cedrola: Ein Profi wird für etwas bezahlt, das er bestmöglich ausführen muss. Solange er bei einem Klub ist, muss er alles geben, um seinem Vertrag gerecht zu werden. Wenn er dann weiterzieht, beginnt dies von Neuem. Ich finde aber, dass die Fans durchaus ein gutes Gespür haben. Wenn sie merken, dass sich ein Spieler aufopfert, sind sie natürlich enttäuscht, dass er geht, machen ihm aber meistens deshalb keine Vorwürfe – sie sind einfach verärgert, dass er ihnen als guter Fussballer fehlen wird. Die Fans wollen schliesslich auch Erfolg. Können Sie eine gewisse Ablehnung seitens der Fans gegenüber ihrem Berufsstand nachvollziehen, da dieser als Katalysator im Geldfluss des Fussballs angesehen wird? Renato Cedrola: Das sehe ich nicht so. Von dieser Geldmaschinerie leben, essen schliesslich viele, wie man das an jedem Spiel in St. Gallen sieht. Michele Cedrola: Als wir Scarione vermittelt hatten, konnten das viele nicht nachvollziehen. Der FCSG ist dadurch aber für die kommenden zwei bis drei Jahre saniert und die Fans dürfen froh sein, dass es durch diesen Deal so hohe Einnahmen gab, wie dies zuvor selten der Fall war. Dem Verein ist dadurch finanziell und auch sportlich geholfen, da auch er wieder investieren konnte. Renato Cedrola: Wir erhielten ja auch keine Dankesbriefe, als wir ihn nach St. Gallen holten. Das ist auch OK so – wir respektieren die Fans, aber sind selbst Profis und müssen unseren Job machen. Was sagen Sie zu Ivan Ergic, der sagt, aus eigener Überzeugung auf einen Berater verzichten zu wollen? Renato Cedrola: Darauf werde ich immer wieder angesprochen und antworte darauf so: Mir gefällt diese Aussage gar nicht. Ergic würde noch immer an einer Strandbar in Australien arbeiten, wenn ihn niemand entdeckt und nach Europa gebracht hätte. Das waren nämlich auch Agenten – von daher sollte er nicht in den Teller spucken, aus dem er gegessen hat. Da er sich gerne als Intellektuellen sieht, würde es ihm gut anstehen, das Ganze nochmals von vorne aufzurollen und darüber nachzudenken, wie er zu seiner Profikarriere kam. Vielleicht hat Ergic schlechte Erfahrungen gemacht mit seinen Beratern, vielleicht hat er unseriöse Leute ausgewählt, weshalb er nun über die Berater schimpft. Das beste Zeichen ist es, wenn ein Spieler lange bei seinem Berater ist, dies zeugt von Loyalität, Transparenz und gegenseitiger Verantwortung. Sprechen wir doch gleich über Ihre Spieler. Wie geht es Oscar Scarione? Renato Cedrola: Soeben habe ich mit ihm geskypt. Er war gerade im Trainingslager in Antalya, wo er sich auch mit St. Gallen und YB getroffen hat. Ihm geht es sehr gut, er ist sehr glücklich. Er spielt in einer guten Liga, verdient dort wirklich gutes Geld und gilt als absoluter Topspieler. Dass er noch grösser rauskommt, ist schon möglich: Es kommen dauernd Anfragen für ihn rein. Einfach ist es aber nicht, ihn zu bekommen, da sein Verein finanziell nicht schlecht gebettet ist. Haben Sie das Unverständnis vieler Fans in St. Gallen verstanden, als er vom FCSG zu einem eher gesichtslosen Verein wechselte? Renato Cedrola: Naja. Es ist nicht unsere Aufgabe, die Fans zu verstehen. Unsere Aufgabe ist es, das bestmögliche für unseren Spieler zu machen und wenn das Gesamtpaket stimmt, ist uns die Meinung der Öffentlichkeit nicht wichtig. Wir sind hinter den Kulissen, wissen was läuft. Er ist einer von unserer Familie und wir würden nie etwas machen, wovon wir nicht überzeugt sind. Ein anderer von Ihnen betreuter Spieler ist David Abraham, der in Hoffenheim ausser Rang und Traktanden gefallen zu sein scheint. Bahnt sich hier ein Wechsel an? Renato Cedrola: Nein, er wird sicher bis im Sommer in Hoffenheim bleiben. Er hatte gesundheitliche Probleme, Rückfälle, dann haben sie auch noch Bicakcic geholt, der es dann nicht schlecht gemacht hat. Da muss man manchmal einfach warten. Dennoch sind sie in Hoffenheim zufrieden mit ihm und schätzen seine Geduld. Er ist ein Musterprofi, der auch Anfragen von anderen Bundesliga-Klubs erhalten hat. Es ist aber schwierig, einen Spieler von Hoffenheim zu holen, da der Klub finanziell ja keine Probleme hat. Zudem fühlt er sich immer noch wohl. Einen Wechsel gewagt hat indes Ivan Martic. Er wurde in St. Gallen nie Stammspieler, spielt nun aber in der Serie A bei Hellas Verona. Michele Cedrola: Richtig. Hier wurde ihm zu wenig zugetraut, er wurde eventuell unterschätzt. Wir hatten nie Zweifel an ihm, aber der Trainer scheint auf andere Spieler gesetzt zu haben und schenkte diesen das Vertrauen. Das wichtigste bei jungen Spielern ist aber, dass sie das Vertrauen des Trainers spüren. Dann fressen sie dir aus der Hand und marschieren auch. Zum heutigen Fussball gehören auch Leihgeschäfte. Mit Holenstein, Ivic und Lüchinger sind auch drei Ihrer Spieler ausgeliehen. Wie geht es mit ihnen weiter? Renato Cedrola: Claudio [Holenstein, Anm. d. Red.] hat viel Pech gehabt. Er hat sich im ersten Spiel verletzt und dann dauerte es länger als erwartet. Durch den Abstiegskampf und den Trainerwechsel hat er dann keine gute Karten mehr gehabt und den Anschluss verloren. Bei Ivic ist es so, dass er einen Kreuzbandriss hatte und er jetzt in Schaffhausen Spielpraxis sammelt. Lüchinger macht es bei Chiasso angesprochen gut. Sie sind alle regelmässig im Einsatz und kommen Ende Juni an die Basis zurück – dann liegt es an ihnen, die Trainer von sich zu überzeugen. Gehen wir eine Ebene höher, etwas mehr in die Aktualität: Wie beurteilen Sie die aktuelle Lage auf dem Transfermarkt? Gibt es noch einen Hammer bis Ende Januar? Michele Cedrola: Ich glaube nicht, dass sich noch grössere Transferhammer ereignen werden. Bale zu Manchester? Das ist eher undenkbar, Manchester müsste 100 Millionen Euro auf den Tisch legen. Pogba? Auch hier glaube ich nicht, dass sich noch etwas tut, bei einem guten Angebot würde es sich Juventus aber wohl schon überlegen. Im Januar gibt es aber eher weniger Transfers in dieser Grössenordnung, eher kleinere Reparaturen und Ausleihen. Trotzdem bleibt der Transfermarkt sehr dynamisch, viel entsteht spontan, beispielsweise durch Verletzungen. Man weiss nie. Paul Pogba überraschte vor Kurzem mit der Aussage, dass er null Euro wert sei. Ist so eine Aussage ähnlich zu werten wie Marco Reus› Torjubel, mit dem er mitteilte, die ganzen Gerüchte nicht mehr hören zu können? Renato Cedrola: Ich denke schon. Wenn du jeden Tag darauf angesprochen wirst, ist das mühsam, es geht dir auf die Nerven. Viele Gerüchte werden einfach so in Umlauf gebracht und erweisen sich schlussendlich als warme Luft – dennoch sind sie für die Medien ein gefundenes Fressen, da es spannend ist und die Leute interessiert wie die Börse. Es kommt aber auch häufig vor, dass Gerüchte tatsächlich in der Luft waren, sich dann aber zerschlagen. Es gibt viele Gründe dafür, dass sich eines nicht konkretisiert. Wie muss man sich einen 31. Januar im Atahotel in Mailand Porta Garibaldi, dem Transfermarkt-Hotel schlechthin, vorstellen? Michele Cedrola: Frenetisch. Wir waren vor einem Jahr kurz vor Transferschluss dort und erlebten, wie alle rumrennen. Es geht zu und her wie an der Wall Street, wenn jeder noch einen oder mehrere Deals einfädeln will. Blicken wir noch etwas voraus: Ihr Geschäft floriert derzeit immer noch. Gibt es überhaupt Wachstumsgrenzen für den Fussball? Renato Cedrola: Es gibt immer neue Märkte. Vor einigen Tagen hat Guangzhou 15 Millionen Euro für Salzburgs Alan bezahlt. Wenn die Chinesen auch noch beginnen, so richtig tief in die Tasche zu greifen, besteht ein Markt mehr, auf dem Geld in Umlauf gerät. Auch Indien ist auf diesem Weg – es war zwar eher eine Seniorenliga, diente aber wohl auch als Pilotprojekt. Oder nehmen wir Sebastian Giovinco, der jetzt zu Toronto wechselt: Auch die MLS wird immer grösser, der Markt entwickelt sich. Giovinco wurde sicher primär mit Geld gelockt, in Toronto leben aber auch viele Italiener, was vielleicht auch ein Faktor war – gleich wie die Tatsache, dass die Liga stärker wird, die Strukturen verbessert werden und ambitionierte Leute dahinterstehen. Wo sehen Sie sich selbst in zehn oder zwanzig Jahren? Leisten Sie dann Mino Raiola Konkurrenz, bleiben Sie bei Ihrem Geschäft oder können Sie sich auch vorstellen, die Branche zu verlassen? Michele Cedrola: Uns macht das ja Spass, Fussball hat uns von klein auf fasziniert. Ich glaube daher, dass wir das machen, solange es uns Spass bereitet, wir uns damit identifizieren und davon ernähren können. Es ist unsere absolute Leidenschaft. Renato Cedrola: Wichtig ist, dass wir die Freude behalten. Die bekommt man, wenn man sieht, wie sich die jungen Spieler entwickeln, wie sie zu Männern werden. Sie könnten ja vom Alter her unsere Kinder sein und wachsen uns auch ans Herz. Es macht Spass, dies zu sehen. Und ich glaube, dass uns das noch eine ganze Weile Spass machen wird. Aber natürlich sehen wir uns schon auch bei Bayern München und Real Madrid (lacht).