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Anzeiger: Ein Ritter scheut weder Gegner noch Kampf

Anzeiger 06.05.2015, Andrea Ditaranto Anzeiger – Nicolas Lüchinger – Talent mit eisernem Willen

Nicolas Lüchinger

Ein Ritter scheut weder Gegner noch Kampf

 

Der 20-jährige Verteidiger Nicolas Lüchinger ist eine Nachwuchshoffnung des FC St.?Gallen. Doch statt in der Super League spielt das Abwehrtalent aus dem Rheintal bei Chiasso in der Challenge League.

von Andreas Ditaranto

Seine bevorzugten Farben sind Grün-Weiss und Köngisblau: Der Oberrieter Nicolas Lüchinger fühlt sich seit Kindesbeinen zwei Vereinen besonders verbunden – dem FC St.Gallen und Schalke 04. Schon als Bub besuchte er mit seinem Vater oft die FCSG-Spiele damals im Espenmoos und fieberte mit der Mannschaft mit. Zuhause am TV interessierten ihn die Bundesliga-Resultate und vor allem das Abschneiden des Ruhrpott-Clubs mit Nicolas′ Lieblingsspieler Jermaine Jones.

Mittlerweile ist der frühere Fan selber als Profi bei den Espen unter Vertrag, bis 30. Juni 2016. Doch richtig freuen kann sich der 20-jährige Rheintaler darüber nicht. Der Verteidiger ist mit viel Talent sowie einer guten Technik und Übersicht ausgestattet, dazu zweikampfstark und schnell – dennoch setzte ihn der FC St.Gallen kein einziges Mal in der Super League ein. «Je länger ich trotz guter Partien für die U21 vergeblich auf einen Einsatz in der ersten Mannschaft hoffte, desto unzufriedener wurde ich», gesteht Nicolas Lüchinger offen und ehrlich. Er wurde vertröstet, seine Zeit komme schon noch.

«Nur eine Momentaufnahme»

Das sei eine «Momentaufnahme» und dürfe nicht als Indiz für schlechte Nachwuchsarbeit gewertet werden, betonte Sportchef Heinz Peischl im Oktober 2013 mit Blick auf die bei der Lancierung hoch angepriesene Talentschmiede «Future Champs Ostschweiz». Damals wurde Kritik laut, da die St.Galler als einziger Super-League-Club keine eigenen U21-Spieler in der Meisterschaft einsetzten. Auch Marco Franin, ein weiterer starker U21-Defensivspieler mit Schweizer Pass im Kader des FCSG, hatte zu jenem Zeitpunkt noch keine Spielminute in der höchsten Liga erhalten.

Aufgrund eines Bandscheibenvorfalls und Rückenbeschwerden verpasste Nicolas Lüchinger dann auch noch die Vorbereitung für die Rückrunde: «Mein Ziel, in der AFG Arena zu spielen, rückte in weite Ferne.» Bei der U21 zeigte das wieder genesene Abwehr­talent in der finalen Phase der Meisterschaft aber hervorragende Leistungen und trug zum Erreichen des Klassenerhalts bei. Der Oberrieter suchte erneut das Gespräch mit FCSG-Coach Jeff Saibene und Assistenztrainer Daniel Tarone. «Man sprach mir das Vertrauen in meine Fähigkeiten aus. Ich bräuchte jedoch dringend mehr Spielpraxis.» Lüchingers Spielerberater suchten nach einer valablen Lösung und wurden schliesslich im Tessin fündig: Um sich in der Challenge League weiterentwickeln zu können, kam man im Sommer 2014 überein, dass Nicolas für ein Jahr an Chiasso ausgeliehen wird. Ein Probetraining genügte, und die Tessiner waren von den Qualitäten des jungen Rechtsverteidigers aus der Ostschweiz überzeugt.

Neues Umfeld, andere Sprache

Ein neues Umfeld, eine Sprache, die er erst noch erlernen musste, eine andere Mentalität – der Rheintaler meisterte die neue Aufgabe mit Bravour. Der 20-Jährige mit der dunklen Hautfarbe – Nicolas′ Mutter stammt aus Guadeloupe – ist beim FC Chiasso Stammspieler und zur Leaderfigur gereift. Im Kampf gegen den Abstieg sind sein unbändiger Einsatzwille und sein «fighting spirit» geradezu unverzichtbar.

Dieser «eiserne Wille» manifestiert sich auch in Form eines Tattoos auf dem linken Oberarm des jungen Fussballers: Es zeigt einen Ritter in Kampfmontur. «Das bin ich auf dem Platz!», sagt «Lüchi» – wie Nicolas von Freunden genannt wird – und lächelt vielsagend. Auf dem Spielfeld nimmt er jeden Zweikampf an, fürchtet nichts und niemanden – neben dem Platz hingegen begegnet man einem zugänglichen Typen mit klarer Haltung, wie wir bei unserem Treffen im «Stadio communale» erfahren durften.

Die Eltern unterstützten ihren talentierten Sohn auf dem Weg zum Profifussballer stets nach Kräften. Als 16-Jähriger kam er bereits zu Einsätzen in St.?Gallens U21; seine konstant guten Leistungen wurden in der Folge mit dem Aufgebot für die U19-Nationalmannschaft belohnt. Zugleich war für alle Beteiligten klar, dass Schule und Ausbildung genauso wichtig sind. Im Sommer kann Nicolas nun die KV-Lehre an der «United school of sports» abschliessen. Bleibt die Frage, wo er künftig spielen wird, zumal mittlerweile einige Clubs auf den Oberrieter aufmerksam geworden sind. Es liegt vieles in den Händen des FCSG. «Ich wollte immer zum FC St.Gallen. Aber ich will nicht in der U21 versauern.»